Rosie

Alte Menschen im Film – das gibt es viel zu selten, und wenn es solche Geschichten wie in „Rosie“ sind, dann möchten wir viel mehr davon! Rosie (ganz wunderbar: Sibylle Brunner) ist nämlich sowohl Dame wie auch manchmal verwirrt auf der Suche nach ihrer Katze, sie pupst hin und wieder und ärgert ihre Tochter. Rosie von Marcel GislerSie trinkt viel, sehr viel. Sie hat hart gearbeitet, damit ihre Kinder Lorenz (Fabian Krüger) und Sophie (Judith Hofmann) gut aufwachsen. Aber sie hat ihnen auch Angst gemacht, weil sie ständig Affären hatte. Warum?

Lorenz ist aus dem fernen Berlin in die Ostschweiz gekommen, weil Rosie nach einem leichten Schlaganfall versorgt werden muss. Das passt ihm eigentlich nicht so richtig, weil sein neuer Roman gerade erschienen und er selbst auf Lesereise ist. Seine Schwester Sophie lebt in Rosies Nähe und ist von der Mehrfachbelastung durch Beruf und Familie bereits ausreichend gestresst. Es kommt zum Streit um alles mögliche: Die verfahrene Beziehung von Sophie zu ihrem Mann, die unverbindlichen Affären von Lorenz zu diversen Männern. Und vor allem die Sturheit von Rosie, die Hilfe ablehnt und auf ihrem Wein besteht– viel zu viel, wie vor allem Sophie findet.

Irgendetwas liegt wie ein Knoten auf Rosies Leben. Lorenz kommt dahinter, was mit dem verstorbenen Vater los war. Und irgendwie lösen sich danach einige Dinge. Ohne zu viel zu verraten: Was anfänglich wie ein realistisches Drama über das Älter werden anmutet, wird bald zur Aufdeckung einer Lebenslüge. Der Spielfilm von Marcel Gisler („Fögi ist ein Sauhund“, „Die blaue Stunde“) enthält sehr emotionale Momente, ohne kitschig zu werden. Die Schauspieler überzeugen durch alltagsnahes Spiel und komödiantische Anteile. Schließlich ist Rosie alles andere als langweilig. Ständig widersetzt sie sich den besorgten Kindern oder auch demütigenden Vertreterinnen der Fürsorge. Egal, ob dies nun ihrer Persönlichkeit oder dem Alkohol geschuldet sind – fast schon nebenbei erzählt Gisler so auch eine Geschichte der Selbstbestimmung im Alter. Auch Körperlichkeit wird nicht ausgespart, ob beim schwulen Sex oder wenn Lorenz seine Mutter wäscht – ganz unverklemmt wird gezeigt, was eben zu sehen ist. Ein wenig Pathos zeigt sich nur in der Musik: Chöre aus Verdi-Opern und Klaviersonaten liegen über beschaulichen Wiesen und Bergpanoramen.

Filmstart 8.5. 2014

[Erscheint im gedruckten Kinokalender 5/2014 und hier]