Oktober November

Götz Spielmanns Filme kann man schlecht beschreiben. Schon bei dem Vorgänger „Revanche“ klang die Geschichte eher trivial: Kleinganove und aussteigewillige Prostituierte überfallen eine Bank. Sie stirbt durch die Kugel eines Polizisten, zu dessen Frau er später eine Beziehung aufbauen wird. Der Film ist aber ein Wunder an eindringlichen Situationen und emotionsgeladener, hinreißenden Bedächtigkeit. Auch sein neuer Film „Oktober November“ beschreibt sich nur unzureichend mit dem Plot: Oktober NovemberEin schwerer Herzinfarkt des Vaters (Peter Simonischek) führt die Schauspielerin Sonja (Nora von Waldstätten) aus Berlin in die österreichische Heimat, wo sie auch ihre Schwester Verena (Ursula Strauss) wieder trifft. In dem ehemaligen Gasthaus brechen alte Konflikte und Fragen auf. Spielmann selbst findet, dass die Frage “Was ist der Grund unseres Daseins, was ist der Sinn?” „platt“ klingt. Seine Film ist das Gegenteil davon und sehr berührend.

Der Film wird getragen von den beiden Darstellerinnen der Schwestern und Peter Simonischek. Auch wenn einiges anfangs keinen Zusammenhang erkennen lässt – es fügt sich alles zusammen am Ende. Sonja ist eine erfolgreiche Schauspielerin, sie hat Fans, Männer und eine fleißige Produzentin. Privatleben, Hobbies oder Freunde scheint sie nicht zu haben. Sie wirkt unnahbar und kühl, auch zerbrechlich und angespannt. Sobald sie in den Bergen ist, fällt dieses Leben von ihr ab, es scheint, als würde sie durchatmen. Obwohl das frühere Zuhause viele Konflikte bereit hält: Verena neidet ihr Erfolg, Ruhm und vor allem das Weggehen. Sie selbst blieb am Ort und unter der Fuchtel des patriarchalen Vaters. Ständig fragt sie sich und ihren Geliebten (den Arzt Andreas, dargestellt von Sebastian Koch), warum sie so ist und was sie eigentlich will. Der Vater scheint seit dem Infarkt seltsam friedlich, er hat seinen Töchtern noch eine Botschaft zu überbringen.

Der Film von fast zwei Stunden lässt ganz tief eintauchen in die verlassene Gaststube des alten Hauses, in dem Möbel und Inventar seit vielen Jahren nicht ausgetauscht wurden. Man zittert um den alten Mann, fürchtet das Auffliegen der heimlichen Affäre mit dem Arzt – vor allem aber schließt man die Menschen ins Herz, die sich im Angesicht des Todes aussprechen und versöhnen wollen, sich aber verständlicher Weise schwer damit tun. Schließlich geht es um verpasste Chancen, gefühlte Vernachlässigung und um erlebte Kränkungen.

Götz Spielmann zeigt ein weiteres Mal, dass er die großen Fragen filmisch hervorragend ausloten kann. Neben der Arbeit mit den Schauspielern sind hier wieder besonders die Bilder von Kameramann Martin Gschlacht hervorzuheben. Produziert hat den Film übrigens Coop99, die neben vielen anderen hoch gelobten Werken für „Schläfer“ von Benjamin Heisenberg, „Fallen“ von Barbara Albert und „Die Wand“ von Julian Roman Pölsler verantwortlich sind.

Filmstart 12.6. 2014

[Erscheint im gedruckten Kinokalender 5/2014 und hier]