William S. Burroughs – A Man Within

„Gucke auf meine dreckigen Hosen runter, seit Wochen nicht gewechselt… Die Tage gleiten vorüber, eingefädelt in eine Injektionsspritze mit langem Blutfaden. Ich vergesse Sex und Saufen und alle scharfen Freuden des Körpers… ein graues, suchtgetriebenes Gespenst.“„Naked Lunch“ empörte die konservativen US-Amerikaner mit Schilderungen von Wahnsinn, Drogenrausch und Homosexualität bis ins Mark. Das war 1959! Wie schon im Fall von „Howl“ von Allen Ginsberg (1955 erschienen, Anfang diesen Jahres fürs Kino adaptiert) wurde Jahre lang vor Gericht um die Veröffentlichung gestritten. Zusammen mit Jack Kerouac fallen diese Namen stets als Vertreter der Beatgeneration. Burroughs war der älteste von ihnen, er ist 1914 geboren.

Burroughs ist auch der, der versehentlich seine Ehefrau erschoss, er war der „Pope of Dope“, der wirklich jede Droge ausprobierte und von einigen jahrzehntelang abhängig war. Was hat ihn umgetrieben, was war er für ein Mensch? Den Grund für seine Radikalität sieht er selbst in seiner Herkunft aus der Oberschicht, er brach alle Regeln und fühlte sich als Teil einer „Spiritual Liberation“, vergleichbar der Frauenbewegung oder dem Black Movement derselben Zeit.

Der junge Regisseur Yony Leyser ist nicht nur von Burroughs beeinflusst, er ist auch von Künstlern und Künstlerinnen beeinflusst, für die Burroughs richtungsweisend war. Diese Liste ist lang, und eine erkleckliche Anzahl findet sich im Film wieder: John Waters, Patti Smith, Iggy Pop, Gus van Sant, um nur einige zu nennen. Sie sprechen über diesen Radikalen, der später als „Vater des Punk“ gefeiert wurde, sinnieren über seine seltsamen Liebesbeziehungen und sein Verhältnis zu Waffen. Auch sein Tagebuch wird zitiert bei dem Versuch, den Antrieb des Grenzgängers zu beleuchten. Viel Archivmaterial hat Leyser zusammengetragen, darunter Aufnahmen von späten Performances mit tiefer Stimme und düsteren Texten. Seine Interviewpartner bringen ihm viel Vertrauen entgegen, sie tragen durch ihre Emotionen und Verehrung den Film ganz entscheidend.

Auch wenn einem der Mensch Burroughs fremd bleibt – er war immer der distanzierte Gentleman -, so bekommt man eine Ahnung, welches kreative und Gedanken-Universum ein Einzelner eröffnen kann und welche Auswirkungen dies auf Jahre hat – die Begriffe Blade Runner und Heavy Metal stammen aus seinen Werken. Aber warum wurde Burroughs – im Gegensatz zu allen anderen – so alt, nämlich 83? Weil er als Ältester immer den ersten Schuss kriegte und sich daher nie mit HIV infiziert hat, heißt es im Film.

[erschienen im gedruckten Kinokalender 01/2012 und hier]