Immer dieser Wind! Man fühlt sich selbst ganz zerzaust, wenn man den drei Familien zuschaut, die sich sich mit ihren Trecks durch das weite, vertrocknete Land kämpfen. Sie haben auf einen gehört, der weiß wo’s langgeht, wo es Wasser gibt. Angeblich. Denn bisher hat Stephen Meek sie nur weitab der üblichen, vermeintlich gefährlicheren Route geführt, das mitgeführte Wasser wird knapper und die drei Männer diskutieren bereits, ob sie Meek nicht einfach erschießen sollen, da sie ihm nicht mehr trauen. Die dazugehörigen Frauen haben nicht viel zu sagen, sie verstecken sich buchstäblich hinter ihren seltsamen Hauben.
Es ist das Jahr 1845, die Zeit der Besiedlung des Westens der heutigen USA. Kelly Reichardt hat nach „Old Joy“, „Wendy and Lucy“ also einen Kostümfilm gemacht. Doch ihr Thema der amerikanischen Landschaften und der Reise finden sich hier auch wieder – und wie! Die Kamera beobachtet aus der Ferne, wie sich die Menschen mit ihren Wagen und dem Vieh mühsam vorwärts bewegen, Stunde um Stunde. Aus der Nähe schaut sie den Männern in die nachdenklichen Gesichter und den Frauen unter die Hauben. Und da passiert so einiges. Denn zu dem sowieso schon strapaziösen Marsch kommt nun noch die Ungewissheit, ob sie alle diesen Treck überleben werden. Traditionellerweise sind die Männer die Entscheider, doch wer weiß in der Wildnis schon, was richtig ist? Als sie dann noch einen Indianer aufgreifen, treten die Konflikte offen zutage: Wird er sie zu einer Wasserstelle führen oder in die Hände von massakrierenden Stammesbrüdern? Meek ist ein Mann des Krieges und des Kampfes, er will den Indianer sofort umbringen, das sagen ihm sein Instinkt und seine Erfahrung. Die anderen Männer ringen mit sich. Eine der Frauen folgt jedoch ihrem Instinkt und mischt sich schließlich ein. Sie baut eine seltsame Nähe zu dem geheimnisvollen Fremden auf, mit dem sie sich nicht verbal verständigen können. Es kommt zu einer Art Emanzipation von Emily (wunderbar: Michelle Williams), der man fasziniert zuschaut. Sie kommt aus sich heraus und traut sich, auf Fremdes zuzugehen und gefährlichen Situationen alleine ins Auge zu blicken.
Ein Film, über den man bei Rausgehen unbedingt reden muss, da das Ende überrascht und erst mal eingeordnet werden will. Das Ergebnis der Rezensentin: Passt.
[erschienen im gedruckten Kinokalender 11/2011 und hier]