Ja, die Belgier und ihre Filme… Die sind oft nicht so widerstandslos konsumierbar. Häufig finden sich darin große Mengen schwarzen bis sehr schwarzen Humors. Und bestimmte Schauspieler: z.B. Benoît Poelvoorde („Mann beißt Hund“, „Louise Hires a Contract Killer“, „Die Anonymen Romantiker“) oder Bouli Lanners („Louise Hires a Contract Killer“, „Eldorado“). So auch hier.
Ort der Handlung und mehr Utopie als Realität ist eine Art Klinik, die von Doktor Kruger geleitet wird. Es gibt allerdings weder Patienten noch Behandlung im gewohnten Sinne. Hierher kommen Todkranke, Lebensmüde oder Verrückte – wenn Dr. Kruger sie lässt, denn er erlaubt nur denjenigen die Anreise in die verschneite Einsamkeit, deren Video ihn überzeugt hat. Die Auserwählten dürfen dann in angenehmem Ambiente versterben. Regisseur Olias Barco sagt, er habe als Vorbild den Klassiker „Das große Fressen“ (1973, mit Marcello Mastroianni, Michel Piccoli und Philippe Noiret) im Hinterkopf gehabt, bei dem vier Freunde so lange essen, bis sie dahinscheiden.
Wie macht man daraus einen typisch belgischen Film? Also einen, der zum Lachen ist, aber gleichzeitig schockiert und beim Publikum Emotionen auslöst? Man sucht sich einen schlossähnlichen Drehort, wartet auf Schnee und dreht in schwarz-weiß. Um die Zuschauer zu verwirren, schneidet man einen Trailer, der ein wahres Feuerwerk an Gags und witzigen Situationen erwarten lässt. Das ist der Film überhaupt nicht. „Kill Me Please“ schafft es erstaunlich gut, trotz der zahlreichen schwarzhumorigen Szenen die Tragik einer Todessehnsucht erahnen zu lassen, genauso wie das Dilemma eines Klinikdirektors, der den Menschen einen würdigen Tod in gediegener Atmosphäre ermöglichen will. Es gibt nämlich böswillige Bewohner eines nahen Dorfes, die die Klinik und ihren Zweck überhaupt nicht goutieren. Außerdem sind die Patienten fast ausnahmslos eigenwillig, seltsam und durchgeknallt, und wenn Unvorhergesehenes passiert (was im gesamten letzten Drittel des Films der Fall ist), wird auch schon mal hart gestritten, wer denn nun als erstes sterben darf.
Seit „Das große Fressen“ ist viel Zeit vergangen und unsere Reaktionen sind heute natürlich viel abgeklärter – wir haben ja schon so viel Unglaubliches und Überraschendes im Kino gesehen. Dennoch schafft es dieser Film, dass man das Kino verlässt und erstmal sortieren muss, was man da gesehen hat. Und das ist eine Qualität! Leicht Verdauliches, das man bereits beim ersten Drink nach Filmschluss vergessen hat, gibt es wahrlich schon genug.
[erschienen im gedruckten Kinokalender 05/2012 und hier]