Papadopoulos & Söhne

„Hey, das ist ein Bankrott, Baby, keine Katastrophe!“ Harry Papadopoulos (großartig: Stephen Dillane) hat mit einem Fish ’n’ Chips-Laden angefangen und sich dann zu einem Papadopoulos & Söhnegroßen Feinkostproduzenten hochgearbeitet. Gerade will er die Papadopoulos Plaza – das Projekt seines Lebens – auf die Beine stellen, als im Zuge der Bankenkrise sein Kredit platzt. Sein großkotziger Berater spricht zwar den zitierten Satz als Beruhigung der Situation, jedoch muss Harry mitsamt Familie seine Luxusvilla verlassen und auch sonst ist alles erstmal futsch. Alles? Nicht ganz… Mit seinem Bruder Spiros (Georges Corraface) zusammen besitzt er noch den heruntergekommenen Fish ’n’ Chips-Laden aus den Anfangsjahren, und Spiros ist wild entschlossen, diesen wiederzueröffnen. Weiterlesen

Out in the Dark

Israel, die besetzten Gebiete und Homosexualität. Drei Dinge, die in vielerlei Hinsicht für Konflikte sorgen. Israel hat weltweit einen liberalen Ruf im Hinblick auf die Rechte und die Lebensqualität von Homosexuellen. Neben der liberalen Gesetzgebung ist dafür vor allem der Status von Tel Aviv als die „Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens” verantwortlich.

Out in the Dark

Doch gleichzeitig geht die Toleranz der orthodoxen Juden und der muslimischen Araber gegenüber Schwulen und Lesben gegen Null. Wenn dann noch der Konflikt zwischen Israel und Palästina als weiteres Thema dazukommt, ist das ganz schön viel Stoff für einen Debütfilm. Doch dem israelischen Filmemacher Michael Mayer gelingt mit „Out In The Dark” ein überzeugendes Drama über die Liebe zwischen zwei Männern im Palästina-Konflikt. „Ein Schwanz ist ein Schwanz” heißt es einmal, da spielt die Herkunft keine Rolle. In der schwulen Gemeinschaft ist man solidarisch, während die Welt versucht, ihnen ihre Natur zu verbieten.

Ganzer Artikel (mit Trailer)

Kinostart: 9.5. 2013

Rendezvous in Belgrad

In einem Bericht über das Cottbuser Festivals des osteuropäischen Films wurde einst mit „singenden Serben“ getitelt. Anlass war nicht etwa ein Musical, sondern die wunderschöne Tragödie „Beli, beli svet“, die leider nie in deutsche Kinos kam. „Rendezvous in Belgrad“ lässt den Verdacht aufkommen, in serbischen Produktionen wird bevorzugt gesungen. Rendezvous in BelgradDie Geschichte ist etwas heiterer, wird aber auch hier mit melancholischen Chören gleichsam kommentiert. Die filmische Form liegt zwischen Liebesepisoden und Belgrad-Reiseführer, zusammengehalten eben durch die Chöre, bei denen Stewardessen oder die schwer uniformierten Mitglieder einer Anti-Terror-Einheit sehnsüchtige Liebeslieder singen.

Die vier Episoden sind dann auch angemessen emotional, kippen aber zum Glück nie ins Kitschige. Ein junger Fahrer eines Musikfestivals soll an seinem ersten Arbeitstag eine gefeierte französische Sängerin zum Flughafen abholen. Erst macht sie ihn verrückt mit Alkoholeskapaden und lässt sich nicht pünktlich wieder einfangen, um den vereinbarten Terminplan zu halten. Danach verzaubert sie ihn mit ihrer Bühnenpräsenz. Weiterlesen

Paradies: Glaube

Dem aufmerksamen Publikum wird es aufgefallen sein: Ulrich Seidl hat eine Trilogie fertig gestellt (der letzte Teil »Hoffnung« startet im Mai) und arbeitet die christlichen Tugenden ab. Paradies: GlaubeInhaltlich sind die Filme nur lose verbunden. Anna Maria (Maria Hofstätter) hat – wie ihre Schwester aus »Paradies: Liebe« – Urlaub, verlebt diesen aber in ihrer Wohnung und in Stadtvierteln, in denen Migrantenfamilien wohnen. Dort klingelt sie an den Türen, im Arm eine Marienstatue, um mit den Menschen zu beten. Da so viel Schlechtes in der Welt ist, geißelt sie sich zu Hause regelmäßig und rutscht auf Knien durchs Haus, Gebete murmelnd.
Das wirkt in weiten Teilen dokumentarisch, die Kamera folgt Anna Maria bei ihren Verrichtungen in ihrem ordentlichen Haus und unterwegs in langen Einstellungen. Lange stellt sich kein Konflikt ein. Doch plötzlich sitzt Nabil (Nabil Saleh), Anna Marias Ehemann, in der Wohnung, zurück gekehrt aus Ägypten. Weiterlesen

Die Jagd – Jagten

Das Kino der Zukunft? „Ich hoffe, dass es mich bewegt. Und mir Schrecken einjagt.“ Das sagt der dänische Regisseur Thomas Vinterberg (»Das Fest«, »Dear Wendy«). Und traut sich was:

Er macht einen Film über einen zu Unrecht des Kindesmissbrauchs verdächtigten Mann. »Die Jagd« ist ein nachhaltig wirkender Film über eine Hexenjagd auf Lucas (Mads Mikkelsen). Die kleine Klara (Annika Wedderkopp) begegnet ihm oft: Im Kindergarten, wo er arbeitet, vor dem Supermarkt, wenn sie sich verlaufen hat. Und wenn sich ihre Eltern – gute Freunde von Lucas – streiten und sie traurig vor dem Haus steht, dann nimmt der sie mit in den Kindergarten. Wir sehen einen freundlichen Mann, der immer hilfsbereit ist und den auch die anderen Kinder lieben, weil er mit ihnen tobt. Und wir sehen die Zurückweisung: Sie solle ihn nicht auf den Mund küssen, sagt er ihr. Weiterlesen

Der Mondmann

Der Mann im Mond ist eine ebenso legendäre Figur wie etwa der Weihnachtsmann. In Märchen und Schlafliedern existiert er schon lange, auch ins Kino hat er es mit „Die Reise zum Mond” von Georges Méliès bereits in den Anfangsjahren des Mediums geschafft. Nun ist er einmal mehr auf der Leinwand zu bestaunen: „Der Mondmann” von Stephan Schesch ist ein farbenfroher Animationsfilm für Kinder, der das gleichnamige Buch von Tomi Ungerer poetisch und berührend umsetzt. Nach Geschichten mit einem bedrohlichen Mondmann („Peterchens Mondfahrt”) oder Adaptionen der Ungerer-Geschichte mit einem unförmigen Schauspieler als Mondmann (wie in Fritz Böhms Kurzfilm von 2007) begegnet uns hier eine durch und durch freundliche Figur, die zu Projektionen einlädt.

Ganzer Artikel

Kionstart: 14.3. 2013

Sightseers

Und wieder kommt ein Film in die Kinos, dessen Protagonisten bereits mit Preisen überhäuft wurden: Bei den alljährig stattfindenden Fido Awards erhielt Smurf, der Terrier aus „Sightseers“ den Comedy Canine Moment. Aber auch die Hauptdarsteller sind sehenswert: Tina (Alice Lowe mit der deutschen Stimme von Anke Engelke) packt ihre Sachen für einen Urlaub mit ihren neuen Freund Chris (Steve Oram). Der hat ein Wohnmobil und schon viele Pläne, wo es bei der Fahrt durch Yorkshire hingehen soll: Unter anderem ein Straßenbahn-Museum, ein Bleistift-Museum und einen Viadukt wollen die Verliebten besichtigen. Als Chris sich bei der ersten kleinen Konfrontation mit einem anderen Touristen unbeherrscht zeigt und den Mann spontan überfährt, ist Tina nur kurz schockiert. Sie ist nicht bereit, ihre Beziehung, den exzessiven Sex und die befreiende Entfernung zur herrischen Mutter nur wegen eines cholerischen Serienkillers aufzugeben. Weiterlesen

Paradies: Liebe

Nein, das ist nicht das Paradies. Da, wo Teresa wohnt, ist es zwar adrett, und bei ihrer strengen Schwester, wo ihre Tochter bleibt, ist es sogar ein bisschen grün – aber das wahre Paradies ist Kenia. Das stellt Teresa im Urlaub fest, sobald ihr einer der Hotelangestellten die Fensterläden mit Blick auf den weißen Strand geöffnet hat. Teresa, eine aus der Form geratene 50-Jährige, sieht sofort entspannter aus, auch wenn die Haut schnell leichte Sonnenbrandrötungen zeigt. Sie ist nicht die einzige ihrer Altersgruppe. Auch das Lebensgefühl der Urlaubsfreundinnen ist ein ähnliches: Der Mann zuhause hat ihren alternden Körper so sehr kritisiert, dass sie sich nicht mal mehr an einen Seitensprung traut, berichtet Inge. Alles hängt nur herab, da sind einfach viel zu viele Kilos. Doch in Kenia hat sich ein Sextourismus etabliert, der Frauen wie Teresa das Gefühl des Begehrtwerdens zurückgibt – als „Sugarmama“: Weiterlesen

Rückblick: Der deutsche Film im Jahr 2012

Was tat sich im deutschen Film 2012? Die „üblichen Verdächtigen“ wie Christian Petzold, Andreas Dresen, Marcus H. Rosenmüller oder Tom Tykwer erhielten für »Barbara«, »Halt auf freier Strecke«, »Wers glaubt wird selig und »Cloud Atlas« mehr oder weniger die erwartbaren Reaktionen.
Vor allem gegen Ende des Jahres häuften sich jedoch ungewöhnliche deutsche Produktionen: »Die Libelle und das Nashorn« bezaubert durch den Charme von Mario Adorf und die witzig-neurotische Sprunghaftigkeit von Fritzi Haberlandt. Regisseurin Lola Randl erfand für die beiden eine ungewöhnliche Nachtreise mit bezaubernden Dialogen.
»Fraktus«, mitgeschrieben und verkörpert von den Studio-Braun-Protagonisten ist eine grandiose Mockumentary aus der Welt der Elektro- und Technomusik, die mit einer gewitzten Strategie daherkommt: Alles ist echt. Die Musik, die Platten und ihre Cover entwickelten ein Eigenleben – »Fraktus« ist auf Tour und wird im Radio gespielt.
Das schwarz-weiße Langfilmdebüt »Oh Boy« von Jan Ole Gerster begeistert durch lakonische Dialoge. Der fantastische Tom Schilling verbringt als Niko einen Tag in Berlin, wie wir es vorher nicht schon tausend Mal gesehen haben.
Ein Roadmovie mit Berlinbezug ist »Puppe, Icke und der Dicke« von Felix Stienz: Eine eher unfreiwillig zusammengewürfelte Reisegruppe ist auf dem Weg von Paris nach Berlin, findet auf höchst unterhaltsame Weise Sympathien füreinander und wird unterstützt von einem der schönsten Soundtracks des Jahres.
Der mit Abstand ungewöhnlichste deutsche Film des vergangenen Jahres ist »Dicke Mädchen« (Foto). Kaum Geld, aber eine Oma und zwei tolle – dicke! – Schauspieler, die als Dreierteam perfekt harmonieren und improvisieren – das ist das Geheimnis von Regisseur Axel Ranisch, der dafür die Kurzfilm-Lola erhält – weil der Film in deutlich weniger als 90 Minuten eine zarte, wilde, lustige und gleichzeitig melancholische Geschichte zaubert, einfach so. Weil er es kann.

[erschienen im Kinokalender 1/2013]

Die meisten dieser Filme kommen immer mal irgendwo im Kino oder sind bereits auf DVD erschienen, z.B. Dicke Mädchen bei Amazon.
Update Juli 2013: Puppe, Icke und der Dicke gibt’s jetzt auch zu kaufen!

Play – Nur ein Spiel

Ist es Rassismus, wenn eine Filmhandlung daraus besteht, dass schwarze Jugendliche ein paar weiße Mittelstandskinder um ihr Hab und Gut – Handys, Mp3-Player und wertvolle Klamotten – bringen? Dem dokumentarisch-experimentellen Spielfilm „Play – Nur ein Spiel” von Ruben Östlund – der auf einer polizeibekannten Serie solcher Übergriffe basiert – wurde von einigen Kritikern vorgeworfen, rassistische Stereotype nicht nur zu reproduzieren, sondern gar erst zu etablieren. Genauerer Betrachtung halten solche Anschuldigungen allerdings nicht stand. Die Sezierung psychologischer Mechanismen ist filmisch auf geradezu exemplarische Weise gelungen und nicht zuletzt die jugendlichen Darsteller sorgen für ebenjene Komplexität, die aus einem womöglich schematischen Experiment wirklichkeitsnahe Widersprüchlichkeit erwachsen lässt.

Ganzer Artikel

Kinostart: 24.1. 2013