Rückblick: Der deutsche Film im Jahr 2012

Was tat sich im deutschen Film 2012? Die „üblichen Verdächtigen“ wie Christian Petzold, Andreas Dresen, Marcus H. Rosenmüller oder Tom Tykwer erhielten für »Barbara«, »Halt auf freier Strecke«, »Wers glaubt wird selig und »Cloud Atlas« mehr oder weniger die erwartbaren Reaktionen.
Vor allem gegen Ende des Jahres häuften sich jedoch ungewöhnliche deutsche Produktionen: »Die Libelle und das Nashorn« bezaubert durch den Charme von Mario Adorf und die witzig-neurotische Sprunghaftigkeit von Fritzi Haberlandt. Regisseurin Lola Randl erfand für die beiden eine ungewöhnliche Nachtreise mit bezaubernden Dialogen.
»Fraktus«, mitgeschrieben und verkörpert von den Studio-Braun-Protagonisten ist eine grandiose Mockumentary aus der Welt der Elektro- und Technomusik, die mit einer gewitzten Strategie daherkommt: Alles ist echt. Die Musik, die Platten und ihre Cover entwickelten ein Eigenleben – »Fraktus« ist auf Tour und wird im Radio gespielt.
Das schwarz-weiße Langfilmdebüt »Oh Boy« von Jan Ole Gerster begeistert durch lakonische Dialoge. Der fantastische Tom Schilling verbringt als Niko einen Tag in Berlin, wie wir es vorher nicht schon tausend Mal gesehen haben.
Ein Roadmovie mit Berlinbezug ist »Puppe, Icke und der Dicke« von Felix Stienz: Eine eher unfreiwillig zusammengewürfelte Reisegruppe ist auf dem Weg von Paris nach Berlin, findet auf höchst unterhaltsame Weise Sympathien füreinander und wird unterstützt von einem der schönsten Soundtracks des Jahres.
Der mit Abstand ungewöhnlichste deutsche Film des vergangenen Jahres ist »Dicke Mädchen« (Foto). Kaum Geld, aber eine Oma und zwei tolle – dicke! – Schauspieler, die als Dreierteam perfekt harmonieren und improvisieren – das ist das Geheimnis von Regisseur Axel Ranisch, der dafür die Kurzfilm-Lola erhält – weil der Film in deutlich weniger als 90 Minuten eine zarte, wilde, lustige und gleichzeitig melancholische Geschichte zaubert, einfach so. Weil er es kann.

[erschienen im Kinokalender 1/2013]

Die meisten dieser Filme kommen immer mal irgendwo im Kino oder sind bereits auf DVD erschienen, z.B. Dicke Mädchen bei Amazon.
Update Juli 2013: Puppe, Icke und der Dicke gibt’s jetzt auch zu kaufen!