In einer besseren Welt

Ganz schön viel Probleme in einem Film: Der Arzt Anton arbeitet in einem afrikanischen Flüchtlingslager. Zuhause lebt er in Trennung von seiner Frau. Sein introvertierter Sohn Elias wird von Mitschülern gemobbt. Elias freundet sich mit Christian an, der gerade in den kleinen Ort gezogen ist. Seine Mutter ist kürzlich gestorben, sein Vater viel unterwegs. Christian meint, dass er was verstanden hat von der Welt: „Du musst einmal richtig zuschlagen, dann wagt sich keiner mehr an dich ran. Das ist in allen Schulen so.“ Anton hingegen versucht Elias das Prinzip der Gewaltfreiheit beizubringen, das auch er selbst lebt. In einer eskalierenden Situation mit einem anderen Vater auf dem Spielplatz erklärt er, was das für ihn bedeutet: Durch Zuschlagen macht man sich selbst zum Idioten. Die beiden Jungs aber haben für diese Haltung nur Verachtung übrig.

Im Film spielen weiterhin ein Messer, viel Schwarzpulver, ein Selbstmordversuch und ein afrikanischer Schwerverbrecher auf Antons Krankenliege eine wichtige Rolle. Um daraus eine stimmige, nicht überladene Geschichte zu machen, braucht es meisterhafte Drehbuchautoren. In diesem Fall war die dänische Filmemacherin Susanne Bier („Nach der Hochzeit“) am Werke, zusammen mit Anders Thomas Jensen, einem begnadeten Geschichtenerzähler, der bei fast jedem dänischen Film die Finger drin hat.

Das Ergebnis: Alles in der mitreißenden Geschichte hat seinen perfekten Platz. Das Thema Gewalt ist schon dutzendfach filmisch behandelt worden. Und viel zu oft scheitern die Geschichten an unnötiger Überdramatisierung, viel zu einfachen Weltbildern oder pseudo-pädagogischen Rezepten. „In einer besseren Welt“ hingegen schafft es auf exzellente Weise, die ganze Spannbreite des Themas aufzumachen. Jeder begonnene Erzählfaden wird konsequent verfolgt, jede Handlung der Protagonisten ist motiviert, nichts geht unterwegs verloren. Der Film hat genau die Komplexität, die dem Thema gerecht wird. Die plausiblen Figuren wissen oft nur vorgeblich Bescheid und haben den Mut zum Zweifeln oder die nötige Wut zum Explodieren. Sie besitzen ein nachvollziehbares Maß an Erkenntnis, aber manchmal auch völlige Blindheit. Die Darsteller sind allesamt bemerkenswert, von den Bekannten wie Ulrich Thomsen („Adams Äpfel“) und Trine Dyrholm („Das Fest“) bis zu den Kinderdarstellern.

Nicht überraschend: Antworten liefert der Film nicht. Er gibt einem nicht mal das gute Gefühl, die titelgebende „bessere Welt“ sei einfach zu finden. Er hinterlässt nur das Gefühl, sich der Thematik differenziert zu widmen – und einen richtig guten, spannenden Film gesehen zu haben.

[erschienen im gedruckten Kinokalender 03/2011 und hier]